June 30, 1992
The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with French President Mitterrand over Breakfast on Saturday, 27 June 1992
AL 2 Bonn, den 30. Juni 1992
V e r m e r k
Betr.: Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatspräsidenten Mitterand im Rahmen eines Frühstücks am Samstag, dem 27. Juni 1992[1]
Der Bundeskanzler spricht zunächst den vorliegenden Entwurf der Schlußfolgerungen des ER und insbesondere die Frage der Verdoppelung der Strukturfonds an. Er sei nachdrücklich dagegen, jetzt Zahlen festzuschreiben.
Staatspräsident Mitterand erwidert, er sei in dieser Frage flexibler und habe eigentlich keine Einwände gegen die vorliegenden Formulierungen.
Der Bundeskanzler erklärt, ihm mache die Entwicklung in Jugoslawien große Sorge.
Staatspräsident Mitterand erwidert, er teile diese Sorge. Die ganze Welt schaue auf die Europäische Gemeinschaft, obschon dies in Wirklichkeit noch nicht unsere Zuständigkeit sei.
Der Bundeskanzler stimmt zu und fügt hinzu, andererseits werde an der Behandlung dieser Frage auch das Ergebnis des ER gemessen. Auf die entsprechende Frage des französischen Präsidenten erklärt der Bundeskanzler, wir leisteten in Jugoslawien humanitäre Hilfe in großem Umfang, könnten uns aber aus den bekannten Gründen nicht an militärischen Aktionen beteiligen.
Staatspräsident Mitterand erklärt, der deutsche Außenminister habe sich in dieser Frage eindeutig geäußert und es gebe auch einen Vorschlag von Ministerpräsident Andreotti, den er interessant finde. Andererseits gebe es aber einige Leute, die in dieser Frage Versteck spielten. Dies gelte insbesondere für die USA. Außenminister Baker mache große Ankündigungen, aber es stecke nicht viel dahinter. Aus seiner Sicht könne man allenfalls sehr beschränkte militärische Ziele verfolgen. Ein darüber hinausgehender Einsatz wäre höchst prekär und könnte in ein zweites Vietnam münden. Die gleichen Zeitungen, die jetzt für ein Eingreifen plädierten, würden dann eine Kehrtwende vollziehen.
Wenn, dann komme wie gesagt, nur ein begrenztes militärisches Eingreifen in Frage und insofern begrüße er den Vorschlag von Ministerpräsident Andreotti. Aber die Durchführung dieses Vorschlags sei sehr schwierig. Man könne beispielsweise an eine Seeblockade denken, aber viel mehr könne man nicht machen. Dies wüßten im übrigen auch die Serben. Die Serben könnten nicht im Ernst glauben, daß sie auf Dauer Bosnien-Herzegowina besetzen könnten. Es werde gesagt, daß die Serben derzeit nur Zeit schinden wollten, um die Bevölkerung umzusiedeln. Nach einer solchen Umsiedlung würden sie sich vielleicht weniger aggressiv verhalten.
Der Bundeskanzler erklärt, dies bezweifele er.
Staatspräsident Mitterand fährt fort, er habe eine Botschaft des Präsidenten von Bosnien-Herzegowina erhalten und habe auch mit französischen Vertretern gesprochen, die jüngst in Sarajevo gewesen seien. Es gebe demnach viele Serben, die unter der Fahne von Bosnien-Herzegowina gegen andere Serben kämpften. Er sei besorgt wegen der Haltung des kroatischen Präsidenten. Offenbar verfolge dieser das Ziel, in Abstimmung mit den Serben Bosnien-Herzegowina aufzuteilen. Er sehe nicht, wie man das verhindern könne.
Der Bundeskanzler erklärt, er habe Präsident Tudjman einen deutlichen Brief in dieser Frage geschickt. Wenn dieser tatsächlich Teilungspläne verfolge, könne er nicht länger auf wirtschaftliche Hilfe hoffen. Im übrigen müsse man sehen, daß das eigentliche Elend erst nach dem Krieg kommen werde.
Staatspräsident Mitterand erklärt, man müsse etwas pädagogisch mit der Presse umgehen, die der Gemeinschaft vorwerfe, daß sie unfähig sei, die Frage zu lösen. Demgegenüber müsse man klar sehen, daß es eine gemeinsame europäische Außenpolitik noch nicht gebe und eine gemeinsame Militärpolitik erst im Entstehen sei. Schließlich müsse man bei allen Überlegungen die Erfahrungen im Vietnam-Krieg und auch im Libanon vor Augen haben.
Frankreich habe seinerzeit auf Bitten von Präsident Reagan 1.000 Mann in den Libanon geschickt, um die Amerikaner zu unterstützen. Man habe nach wenigen Monaten 150 Soldaten verloren. Dann sei man zum Rückzug gezwungen gewesen. Er habe keine Lust, sich noch einmal in ein solches Abenteuer zu begeben, es sei denn, es handele sich um eine militärische Auseinandersetzung, in der jeder seine Mittel ohne Hintergedanken einsetze. Er frage sich zum Beispiel, was die USA und die Briten in Wirklichkeit wollten.
Der Bundeskanzler erklärt, man dürfe im übrigen nicht die enormen Probleme einer militärischen Auseinandersetzung aus den Augen lassen. Die Serben seien erprobte Partisanen.
Staatspräsident Mitterand stimmt dem zu und erklärt, außerdem habe man es mit einem äußerst schwierigen Gelände zu tun. Er wolle daher noch einmal sagen, daß man allenfalls einen begrenzten Einsatz wagen könne, aber unter keinen Umständen den Krieg ausweiten dürfe. Im Grunde genommen blieben also als einzige Mittel wirtschaftliche und politische Sanktionen.
Der Bundeskanzler wirft die Frage auf, welche Rolle Rumänien und Griechenland spielten.
Staatspräsident Mitterand erklärt, in der Tat schickten die Griechen Stoßgebete zum Himmel, damit die Serben erfolgreich wären und dann für sie die Arbeit in Mazedonien erledigen könnten.
Der Bundeskanzler erklärt, möglicherweise könne in der derzeitigen Lage eine Seeblockade in der Tat hilfreich sein.
Staatspräsident Mitterand erwidert, er werde gleichzeitig noch einmal überlegen, was Frankreich diplomatisch gegenüber Serbien tun könne. Möglicherweise sollte man noch einmal eine Demarche durchführen. Es werde für die Serben zunehmend schwieriger, wenn sie sich mit allen herumprügelten.
Das Gespräch wird sodann über GATT fortgesetzt (siehe Vermerk AL 3).
(Dr. Hartmann)
[1] BArch, B 136/59730, 281-284.
Head of Department 2 Bonn, 30 June 1992
M e m o r a n d u m
Subject: The Chancellor's Meeting with French President Mitterrand over Breakfast on Saturday, 27 June 1992[1]
The Chancellor first refers to the draft of the conclusions for the European Council and, in particular, to the question of doubling the structural fund. He was strongly against efforts to define numbers now.
President Mitterrand replies that he was more flexible on this question and had no basic objection to the existing formulations.
The Chancellor says that he was very concerned about developments in Yugoslavia.
President Mitterrand replies that he shared this concern. The entire world was watching the European Community although that this was not yet our jurisdiction.
The Chancellor agrees and adds that the results of the European Council would also be measured by the results of this issue.
Upon the question from the President, the Chancellor says that we were engaged in humanitarian assistance on a large scale but could not participate in military operations for well-known reasons.
President Mitterrand says that the German Foreign Minister had made a clear statement on this point. There was a proposal by Italian Prime Minister Andreotti which he found interesting. But there were a some who played hide-and-seek on this question. This especially applied to the USA. Secretary of State Baker made great announcements, but there was not much substance behind them.
From his perspective, they could pursue very limited military objectives at most. Extended operations would be highly precarious and involved the risk of a second Vietnam. The same newspapers that now called for intervention would reverse their direction completely.
If so, there was only room for a very limited military intervention. In this respect, he welcomed the proposal by Prime Minister Andreotti. But its implementation was very difficult.
For instance, a sea blockade could be envisioned but not much more could be done beyond it. Moreover, the Serbs knew this, too.
The Serbs could not seriously think that they had the capacity to occupy Bosnia-Hercegovina forever. It was said that the Serbs only wanted to buy time to resettle the population. After such a resettlement they might behave less aggressively.
The Chancellor explains that he very much doubted this
President Mitterrand continues and says that he had received a message from the President of Bosnia-Hercegovina and had also spoke with a French representative who had recently been in Sarajevo. Apparently, there were many Serbs who fought against other Serbs under the banner of Bosnia-Hercegovina.
He was concerned about the position of the Croatian President. Apparently, he pursued the aim of dividing up Bosnia-Hercegovina in collusion with the Serbs. He could not see how to prevent this.
The Chancellor says he had sent President Tudjman an explicit letter on this question. If he was, indeed, pursuing plans for partition, he could no longer hope for economic assistance. One had to consider that the true suffering would occur only after the war.
President Mitterrand says that they had to deal with the press in a somewhat more pedagogical way as it accused the Community of being unable resolve this issue. One had to consider that there was not yet a common European foreign policy. A common military policy was only now in the making. In any case, one had to bear in mind the experiences of the Vietnam War and the war in Lebanon for all scenarios.
At the time, France had deployed 1,000 soldiers to Lebanon to support the Americans at the request of President Reagan. 150 soldiers had been lost within a few months. Eventually, they had been forced to withdraw them. He did not want to repeat such an adventure unless it was a military confrontation in which everybody used their means without ulterior motives. He wondered, for instance, what the USA and the British really wanted.
The Chancellor says that they must not leave the enormous risks of any military confrontation out of sight. The Serbs were experienced partisans.
President Mitterrand agrees and explains that they were also confronted with an enormously difficult terrain. Thus, he wanted to again underscore that, at most, only a very limited operation could be risked, but under no circumstance could the war be expanded. Essentially, the only methods remaining involved economic and political sanctions.
The Chancellor wonders about the role of Romania and Greece.
President Mitterrand says that the Greeks sent prayers to heaven hoping for the success of the Serbs in order to let them do the work in Macedonia.
The Chancellor says that it might be possible that a sea blockade could actually be helpful in the current circumstances.
President Mitterrand says that he would consider what France could do diplomatically vis-à-vis Serbia. Perhaps they would pursue another demarche. It would become increasingly difficult for the Serbs to continue fighting everyone.
The conversation then turns to GATT (see memorandum by Head of Division 3).
(Dr. Hartmann)
[1] BArch, B 136/59730, 281-284.
Mitterrand emphasizes that Yugoslavia could turn into "a second Vietnam” in case of a Western military intervention. He questions the rational of U.S. and British policy in the Balkans and rejects France's military involvement. Kohl rules out Germany's participation in military operations.
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