July 13, 1992
The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with Italian Prime Minister Amato at the "Four Seasons" Hotel in Munich, 5 July 1992, 16.00-17.00 hours
AL 2 Bonn, den 13. Juli 1992
V e r m e r k
Betr.: Vermerk über Gespräch des Bundeskanzlers (BK) in seiner Suite im Hotel "Vier Jahreszeiten" in München am 05.07.1992, 16.00-17.00 Uhr[1]
Teilnehmer: Bundeskanzler, Bundesminister Kinkel, Ministerpräsident Amato, Außenminister Scotti, zwei Dolmetscher
BK: Begrüßung des Gastes
MP Amato: Was sind die Schwerpunkte des Gipfels nach des Bundeskanzlers Meinung.
BK: Er wünsche sich, daß dieser Münchener Gipfel zu den ursprünglichen Intentionen zurückkehrt. Die Ursprungsidee sei in der letzten Zeit etwas verloren gegangen. Er wünsche sich, daß bei solchen Gipfelgesprächen mehr miteinander geredet werden könne. Es handle sich um einen Wirtschaftsgipfel; die Wirtschaft solle im Mittelpunkt stehen, und er wünsche nicht zu viele Texte.
Erster zentraler Punkt: Weltwirtschaft; Situation; Hinweis auf gemeinsame Verantwortung. Leider werde GATT auf dem Gipfel nicht deblockiert werden können. Es müsse aber definitiv vereinbart werden, daß in den nächsten Wochen intensiv weiter versucht werde, zu einem Ergebnis zu kommen. Man sei sehr nahe beisammen, dies wisse er auch aus seinen intensiven Bemühungen der letzten Tage.
So seien einfach zwei Termine, die einer Lösung entgegenstünden: Einmal das Referendum in Frankreich und zum anderen die Wahl in den Vereinigten Staaten. Bei den Verhandlungen seien auch Fehler durch die EG gemacht worden. Jetzt allerdings seien die Amerikaner sehr hart. Man habe sich etwas zu sehr die Verhandlungslinie der Amerikaner aufdrängen lassen. Dafür entstehe jetzt der Eindruck, als ob das Scheitern bei der EG bzw. den Franzosen liege. Er, BK, sei der Meinung, Delors hätte sich früher einschalten müssen. Die Amerikaner beharrten zu stark auf dem Dunkelpapier.
- Zweiter zentraler Punkt: Was tun wir für die GUS/MOE-Staaten? Hinweis auf seine Kontakte mit Krawtschuk. Hilfe könne nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Er, BK, sei dagegen, den Siebener Gipfel mit Rußland auf acht aufzustocken. Wie wolle man beispielsweise Indien, Brasilien antworten bei gleicher Anfrage? Zeitpunkt für Aufstockung sei zu früh, allerdings: Jelzin müsse wissen, was er bekommt.
- Dritter zentraler Punkt: Kernkraftwerke sowjetischer Bauart: Mehr als 20 Kernkraftwerke sowjetischer Bauart seien schließungswürdig bzw. nachbesserungswürdig. Geplant sei von uns ein multilateraler Fonds. Japan und die Amerikaner seien eher nur für bilaterale Hilfe. Tschernobyl wäre vielleicht anders gelaufen, wenn man hätte früher eingreifen können. Was den deutschen Beitrag anbelangt, müsse er allerdings sagen, daß wir an der Obergrenze angelangt sind dessen, was wir finanziell leisten können.
Insbesondere Japan müsse sich stärker engagieren, denn Rußland stoße auch an die Grenze Japans.
MP Amato: Er sei voll einverstanden. Er habe nur eine große Sorge: Die bisherigen und die geplanten Hilfen für die osteuropäischen Länder seien nicht langfristig angelegt. Notwendig seien aber robuste, langfristig wirkende Hilfen.
BK: Er sei dankbar, wenn in Rußland die Dinge einigermaßen weiterliefen. Zunächst müsse es aber um eine Stabilisierung gehen; manchmal sei es auch hilfreich, einfache Dinge zuwege zu bringen. Es sei unerträglich, wenn 40 % des Erdöls in Pipelines verloren gehen. Er habe schon im letzten Jahr angeboten, daß private Konsortien diese Pipelines reparieren könnten. Die Kosten könnten aus den Summen finanziert werden, die im Augenblick im Verlust liegen würden. Aber es sei halt schwierig, notwendige Zustimmung der Republiken zu gewinnen. Die Ukraine habe in diesem Jahr nur 40 % der potentiellen Anbaufläche angebaut. Nach seiner Meinung werde es noch schlimmer. Wir müssen uns gemeinsam schon jetzt auf Hilfe einstellen. Unsere Bevölkerungen verstehen dies aber alles nicht mehr, weil man nicht zu unrecht sage, Rußland und die Ukraine usw. müßten so langsam mindestens im landwirtschaftlichen Sektor wieder auf die Beine kommen.
Außerdem wolle er darauf hinweisen, daß die bisherige Hilfe hauptsächlich von den Europäern getragen worden sei.
MP Amato: Beim Sturz Gorbatschows sei den Europäern gesagt worden, man habe die Lage falsch eingeschätzt. Was passiert, wenn nun beispielsweise Jelzin gestürzt werde? Er sei der Meinung, der 24 Mrd.-Kredit müsse laufen.
BK: Ja, aber man müsse alles mit Vorsicht tun. Nicht umsonst gäbe es im Deutschen das Sprichtwort vom "Faß ohne Boden".
MP Amato: Wir müssen es tun, damit uns nicht gesagt wird, wir hätten evtl. zum Sturz Jelzins beigetragen.
BK: Ja, aber nicht alle denken so. Hinweis auf Wahlkampf USA, Hinweis auf Kurilen, Intention der Japaner. Er habe früher mehrfach mit Gorbatschow über die Kurilen-Frage gesprochen; Gorbatschow sei auf einem guten Weg gewesen.
MP Amato: Kann man nicht den Japanern eine Übergangslösung à la Hongkong schmackhaft machen?
BK: Er glaube es nicht, es gäbe viele Probleme an der russischen Westgrenze. Die Situation bliebe insoweit schwierig. Dasselbe gelte für das Thema Rio. Er wolle darauf aufmerksam machen, daß 120 Mio. Japaner so viel Trockenholz verbrauchen würden im Jahr wie 340 Mio. Europäer. So gehe es eben nicht. Er wolle noch ein anderes Thema anschneiden. Dies sei der erste Gipfel ohne Ost-West Bedrohung. Der Kalte Krieg sei vorbei. Man denke an die Situation Jugoslawiens: Dies hätte noch unter dem Ost-West-Gegensatz nach Weltkrieg gerochen. Er sei allerdings relativ glücklich über die eingetretene Weltlage.
MP Amato: Deutschland habe bei der Wiedervereinigung Mut gezeigt. Die Wiedervereinigung sei vor allem die Leistung des Bundeskanzlers gewesen.
BK: Jetzt sei die Stunde der Europäer gekommen. Der Ost-West-Gegensatz sei ja auch in gewissem Sinne ein Instrument der Disziplinierung gewesen. Jetzt ist in diesem Sinne die Angst weg. Suharto habe ihn kürzlich darauf hingewiesen, daß sein Land blockfrei sei. Er habe gefragt: Wieso blockfrei, es gibt keine Blöcke mehr?
MP Amato: Er wolle fragen, ob man nicht wie früher auf die regelmäßigen Gipfeltreffen zurückkommen könne? Er wisse, der BK liebe Florenz, deshalb lade er nach Florenz ein.
BK: Im Prinzip einverstanden, über den Termin müßte gesprochen werden.
MP Amato: Schildert die Situation in Italien nach der Regierungsumbildung. Sprach Währungsprobleme der italienischen Regierung an. Er habe heute morgen Ministerbesprechung durchgeführt und Richtlinien beschlossen, die sofort nach seiner Rückkehr in Kraft treten sollten. Geplant sei eine Art Delegierungsgesetz (so Dolmetscherübersetzung), das eine mittelfristige Planung gegen die Inflation bedeute und kurzfristig in Kraft treten solle. Die Regierung konzentriere sich voll auf die Inflationsbekämpfung. Geplant seien ein Preisstopp, ein Lohnstopp und weitere einschneidende Maßnahmen.
Ziel: Die öffentliche Verschuldung müsse um 30 000 Mrd. Lire herunter gesetzt werden, was bedeuten würde, daß die staatliche Verschuldung unter 10 % gedrückt würde.
Wichtig für ihn, Amato, sei, daß dieses italienische Vorhaben durch Europa, insbesondere natürlich durch die Bundesrepublik Deutschland positiv bewertet werde, und zwar dann, wenn die italienische Regierung es bekannt gebe. Italien brauche eine Beruhigung auf den Märkten. Amato übergab sodann dem Bundeskanzler ein Kommuniqué, das auch einen Zeitplan für die Maßnahmen enthält.
BK: Er werde das Papier mit seinen Finanzfachleuten besprechen.
BK erteilte mir nach dem Gespräch den Auftrag, das Papier mit den zuständigen Herren, insbesondere auch mit Herrn Köhler zu besprechen, damit ihm heute abend in der 19.30 Uhr-Besprechung ein Rat gegeben werden könne, wie er sich verhalten soll.
BK: Wir leben in einer wichtigen Zeit. Wichtige Fragen stellen sich insbesondere an die Europäer. Bis Ende des Jahrhunderts muß die Union kommen. Dabei ist nicht nur die Wirtschaft zu berücksichtigen, sondern auch Geschichte, Tradition und Kultur.
BK kam auf den Unfall seines Sohnes in Italien zu sprechen und bedankte sich in bewegten Worten bei der italienischen Seite für die Hilfe, die seiner Familie und seinem Sohn nach diesem Umfall gewährt worden sei.
MP Amato: Dankte für die Worte des BK. Fragte den BK abschließend, ob er nach der letzten Wahl daran geglaubt habe, daß nochmals ein Bündnis DC, PS usw. zustande kommen würde?
BK: Ja, er habe daran geglaubt, aber er habe geahnt, daß es mit anderen Personen zustande kommen werde.
[1] BArch, B 136/59736, 26-30
Head of Division 2 Bonn, 13 July 1992
M e m o r a n d u m
Subject: The Chancellor's Meeting with Italian Prime Minister Amato at the "Four Seasons" Hotel in Munich, 5 July 1992, 16.00-17.00 hours[1]
Participants: The Chancellor, Foreign Minister Kinkel, Prime Minister Amato, Foreign Minister Scotti, two interpreters
The Chancellor: Greetings for the guest.
PM Amato: What were the main issues for the Summit from the Chancellor’s perspective?
The Chancellor: His desire was for the Munich Summit to return to its original intentions. The original idea had recently been somewhat lost. His desire was to have more personal discussions with one another at these summits. This was an economic summit; economics should be the main point, and he did not want too many texts.
- First central point: The global economy; the situation; reference to common responsibility. It was a pity that GATT could not be unblocked at the summit. But it certainly had to be agreed that they would try to achieve a result in the next few weeks. Basically, they were quite close together, he also knew this from the intense efforts of the last few days.
There were simply two dates that stood in the way of a solution: First, the referendum in France and second, the elections in the United States. The EC had also made mistakes during the negotiations. Now, however, the Americans were very tough. One had somehow allowed the Americans to impose their negotiating approach on us. Thus, there was currently an impression that the failure was due to the EC and the French. He, the Chancellor, thought that Delors should have engaged himself earlier. The Americans insisted too much on the non-paper.
- Second central point: What do we do for the CIS/CEE states? Reference to his contacts with Kravchuk. Assistance could only be assistance toward self-help. He, the Chancellor, was against increasing the summit of seven to a summit of eight with Russia. How should one respond to India or Brazil, for instance, if they asked to join? It was too early for an increase in participants. At the same time, it was important for Yeltsin to know what he would get.
- Third central point: Nuclear power plants in the former Soviet Union. More than 20 Soviet-constructed nuclear power plants could be closed or modernized. We were planning a multilateral fund. Japan and the Americans would rather provide solely bilateral assistance. Chernobyl might have taken a different course if one could have intervened earlier. In terms of the German contribution, he had to say that he had reached the financial limit to our capacity for assistance.
Especially Japan had to show more engagement as it shared a common frontier with Russia.
PM Amato: He fully agreed. He had just one large concern: Neither the previous nor the envisaged assistance programs focused on the long-term. There was a necessity for robust assistance with a long-term impact.
The Chancellor: He was grateful if things went reasonably well in Russia. First, this was about stabilization. Sometimes, it was useful to accomplish easy things. It was unbearable that 40% of Russia’s oil was lost in its pipelines. Last year, he had already offered that private consortiums could repair those pipelines. The costs could be financed through the sums that Russia was currently losing. But it was difficult to obtain the consent of the republics. Ukraine planted only 40% of its available acreage this year. He thought that things would even get worse. We had to anticipate further requests for assistance. Our populations would not be able to show continuous understanding. They said – and not without good reason – that, at most, Russia and Ukraine should be able to get agricultural sectors going.
Furthermore, he wanted to point out that the majority of previous assistance had come from the Europeans.
PM Amato: When Gorbachev was toppled, the Europeans were told that they anticipated the situation incorrectly. What would happen if Yeltsin was toppled? He thought that the $24 billion credit had to be implemented.
The Chancellor: Yes, but everything had to be done with caution. There was good reason for the German saying of "bottomless pit".
PM Amato: We must do it to avoid the charge that we might have contributed to Yeltsin’s downfall.
The Chancellor: Yes, but not everybody thought this way. Reference to the election campaign in the USA, reference to the Kuril Islands and the intentions of the Japanese. He had discussed the Kuril Islands question with Gorbachev several times; Gorbachev had been on a good trajectory.
PM Amato: Was there any chance of coaxing the Japanese into some sort of a transitory solution à la Hongkong?
The Chancellor: He did not think this was possible. There were simply too many problems on Russia’s Western border. Overall, the situation would remain difficult. The same applied to the Rio issue. He wanted to point out that 120 million Japanese would consume the same amount of dry wood as 340 million Europeans. It could not be this way.
He wanted to raise yet another issue. This was the first summit without the East-West threat. The Cold War was over. One was concerned about the situation in Yugoslavia. This had already begun during the East-West conflict after the World War. But he was overall quite happy with the global situation.
PM Amato: Germany had shown courage during reunification. Reunification had primarily been the Chancellor’s achievement.
The Chancellor: Now was the hour of the Europeans. In some sense, the East-West-Conflict had been an instrument to enforce discipline. Now, the fear was gone. More recently, Suharto had pointed out the fact to him that his country was neutral as the country was now block-free. He had asked: How come it was block-free, there were no longer blocks?
PM Amato: He wondered whether one could perhaps return to the former summit formats. He knew that the Chancellor loved Florence. Thus, he wanted to invite him for a visit to Florence.
The Chancellor: Agreed in principle, the date had to be discussed.
PM Amato: Turned to the situation in Italy following the formation of the new government and referred to the currency issues in Italy. This morning, he had had a cabinet meeting on the adoption of new guidelines which should be implemented immediately after his return. He was planning a kind of a delegation law (this was the interpreter’s translation) that envisaged some medium-term planning against inflation and should be implemented immediately. The new government was fully focused on the fight against inflation and was planning a price freeze, a salary freeze, and further, drastic measures.
The aim was to reduce public debts by 30,000 billion Lira, meaning that state debts would be kept below 10%.
It was important for him, Amato, that Europe and the Federal Republic of Germany welcome and appreciate this move when the Italian government announced it. Italy needed some sedation in the markets. Amato then handed the Chancellor a communiqué including the schedule for the measures.
The Chancellor: He would discuss the paper with his finance experts.
After the meeting, the Chancellor instructed me to discuss the paper with the competent gentlemen, especially with Undersecretary Köhler. The aim was to provide advice for him for today’s 19:30 meeting so that he knew how to respond to Amato.
The Chancellor: We lived during an important time. The Europeans were particularly confronted with pivotal questions. The union had to be established by the end of the century. There was not only a need to consider economics, but also history, tradition, and culture. The Chancellor referred to his son’s accident in Italy and thanked the Italian side for their assistance with moving words.
PM Amato: Thanked the Chancellor for his remarks and asked the Chancellor whether he had thought that another alliance between DC, PS, etc. could be formed?
The Chancellor: Yes, he had thought it was possible but had anticipated that a different person would be in charge.
[1] BArch, B 136/59736, 26-30.
Kohl and Amato reason about the best ways of financial assistance for Russia. They do not yet want to include Russia in the World Economic Summits on a permanent basis. There is consensus that the door for Russia must remain open, however.
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