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November 9, 1991

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with President Bush on 7 November 1991 at the NATO Summit in Rome

Referatsleiter 212                                                                                                            Bonn, den 9. November 1991

V e r m e r k

Betr.: Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Präsident Bush am 7. November 1991 am Rande des NATO-Gipfels in Rom[1]

Der Bundeskanzler erklärt auf Fragen der zu Beginn des Gesprächs anwesenden Journalisten, daß Deutschland der NATO die Freiheit und die deutsche Wiedervereinigung verdanke. Ohne die feste Haltung der Allianz und der Vereinigten Staaten wäre dies alles nicht möglich gewesen.

Die wirtschaftliche und politische Einigung Europas - übrigens eine alte Forderung der USA - stelle keinen Gegensatz zu den USA dar. Wir brauchten einen europäischen Pfeiler in der NATO, gleichzeitig wollen wir, daß die USA in Europa blieben. Er, der Bundeskanzler, gehe noch weiter: Die transatlantische Brücke müsse jetzt um eine Fahrbahn verbreitert werden; wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit sei jetzt ebenso wichtig, wie die militärische in der Vergangenheit.

Als praktisches Beispiel nennt der Bundeskanzler die im nächsten Jahr zu gründende deutsch-amerikanische Akademie der Wissenschaft.

Präsident Bush wirft ein, die Rede des Bundeskanzlers im Bundestag vom 6. November 1991 sei ausgezeichnet gewesen. Sie habe erneut die Führungsqualitäten des Bundeskanzlers gezeigt.

Nachdem die Journalisten den Raum verlassen haben, spricht der Bundeskanzler zunächst das Thema GATT an. Wir befänden uns in einer guten Situation, die Dinge bewegten sich so, wie er, der Bundeskanzler, es versprochen habe. Auch Frankreich bewege sich. Die noch offenen Fragen zwischen der EG und den USA müßten intensiv bilateral behandelt werden. Man müsse jetzt versuchen, auf beiden Seiten öffentliche Erklärungen zu vermeiden. Sonst werde die psychologische Situation erschwert. Bei dem letzten Durchgang habe man schwere psychologische Fehler gemacht. Er sei optimistisch und werde sich um die Angelegenheit selbst kümmern.

Präsident Bush wirft ein, er sei dankbar für die entscheidende Rolle, die der Bundeskanzler spiele.

Der Bundeskanzler fährt fort, er wolle ganz offen sage, daß man sich vor allem psychologisch geschickt dem Elysée verhalten müsse; am Ende müsse auch der Elysée einen Erfolg haben.

Der Bundeskanzler beschließt diesen Themenbereich mit dem Hinweis, daß er - wie verabredet - mit dem amerikanischen Präsidenten vor Maastricht in engem Kontakt bleiben werde.

Der Bundeskanzler spricht sodann das Thema Sowjetunion an. Es wäre eine Katastrophe, wenn das Land auseinanderfiele. Gorbatschow habe die Chance, in einer Föderation eine wichtige Rolle zu spielen. Er, der Bundeskanzler, habe soeben eine Nachricht erhalten, daß sich die stellvertretenden Finanzminister der G7 mit der Sowjetunion über die Zahlungsprobleme geeinigt hätten - dies sei eine gute Nachricht.

Aus deutscher Sicht sei es wichtig, daß auch die USA Einfluß nähmen: Eine Art Föderation sei besser als ein Auseinanderfallen des Landes.

Er höre allerdings, daß es in Washington hierzu auch die Meinung gebe, wonach man mehr auf die Republiken und weniger auf das Zentrum setzen solle. Er halte dieses für einen Fehler. Wir sollten bei der Wirtschaftshilfe der Sowjetunion klarmachen, daß ein Dach nötig sei.

Es werde auch behauptet, daß Kanada direkt mit den Republiken - bzw. mit der Ukraine - verhandeln wolle.

Zu Japan wolle er feststellen, daß es einen großen Vorteil von der NATO gehabt habe, ohne etwas dazu beizutragen. Jetzt habe Japan ebenfalls Vorteile dadurch, daß die militärische Bedrohung durch die Sowjetunion entfallen sei. Japan könne daher nicht nur uns die Hilfe für die Sowjetunion überlassen. Er wolle fragen, ob die Position der Vereinigten Staaten betreffend die Sowjetunion immer noch die gleiche sei, d.h. nach Möglichkeit eine Föderation zu unterstützen.

 

 

Präsident Bush erklärt, dies sei der Fall. Es gebe aber Kritik, daß die amerikanische Regierung zuviel für Gorbatschow täte. Er, Präsident Bush, glaube, daß man das Zentrum brauche, aber auch die Republiken wahrnehmen müsse. Es gebe in der Tat eine Diskussion in der amerikanischen Öffentlichkeit, wonach man die Sowjetunion zerfallen lassen solle. Diese Auffassung teile die Regierung nicht; dies habe man auch Gorbatschow gesagt.

Bei den Finanzfragen müßten die Republiken aber selbstverständlich einbezogen werden, man brauche auch ihre Unterschrift auf dem Papier.

Zur Frage der Föderation könne er klar sagen, daß die USA eine Anarchie, vor allem auch eine nukleare Anarchie unbedingt vermeiden wollten. Daher unterstützten die USA das Zentrum.

Im übrigen glaube er, daß Gorbatschow und Jelzin nicht gut miteinander auskämen.

In diesem Zusammenhang wirft Außenminister Baker als Beispiel ein, daß man kürzlich vom stellvertretenden Präsidenten Rußlands erfahren habe, daß Jelzin in einer Rede habe ankündigen wollen, daß erstens alle Russen - wo immer sie lebten - geschützt werden müßten und zweitens das zentrale Außenministerium der Sowjetunion aufgelöst werden müsse.

Die USA hätten darauf ihren Botschafter in Moskau demarchieren lassen, um klarzustellen, daß die erste Aussage eine Provokation sei und die Absicht der Auflösung des zentralen Außenministeriums in der kritischen Phase der beginnenden Nahostkonferenz außerordentlich störend wäre.

Der Bundeskanzler weist darauf hin, daß Präsident Jelzin in zwei Wochen nach Deutschland zu Besuch komme. Bei diesem Anlaß würden wir auch mit Jelzins Mitarbeitern reden, die sich aufführten wie im Jahre 1910. Wir befänden uns aber im Jahr 1991.

Der Bundeskanzler wendet sich dem Thema Jugoslawien zu und bittet BM Genscher über das für den 8. November 1991 vorgesehene Außenministertreffen der EG zu berichten.

 

 

BM Genscher sagt, daß am 8. November 1991 zwei Fragen zu entscheiden seien - die Verhängung des limitierten Restriktionenpakets

- der Fortgang der Friedenskonferenz. Die Friedenskonferenz müsse in diesem Jahr zu Ende kommen. Serbien dürfe nicht erlaubt werden, die Friedenskonferenz zu blockieren. Sie werde mit den kooperationswilligen Republiken weitergehen. Er, BM Genscher, glaube, daß Serbien zur Konferenz zurückkommen werde, wenn diese weitergehe.

Tatsache sei, daß Jugoslawien als Gesamtstaat nicht mehr bestehe. Jetzt gehe es um die Frage der Regelungen für ein friedliches Zusammenleben. Das bedeute, die bestehenden Grenzen dürften nicht verändert werden, Minderheiten müßten geschützt werden. Alles andere sei eine Illusion.

Außenminister Baker fragt, was der Unterschied zwischen einer Anerkennung der Ukraine und der Anerkennung Kroatiens sei.

BM Genscher entgegnet, daß in der Sowjetunion das Zentrum unter Führung von Gorbatschow den Weg für eine Neuregelung des Verhältnisses zu den Republiken und der Republiken untereinander eröffnet habe. Dieses drücke sich im Vertrag zur Wirtschaftsunion und in dem Versuch der Gründung einer politischen Union aus.

In Jugoslawien sei dies gerade umgekehrt: hier versuche das Zentrum - also die serbische Führung, die Armee - die Republiken mit militärischer Gewalt im jugoslawischen Staat zu halten. In der Sowjetunion sei niemand auf die Idee gekommen, die Rote Armee gegen die Republiken marschieren zu lassen.

Außenminister Baker wirft ein, daß das jugoslawische Zentrum in der Vergangenheit doch zu Verhandlungen über eine politische Neugestaltung aufgefordert habe, dieser Prozeß aber durch die Unabhängigkeitserklärung einiger Republiken unterbrochen worden sei.

Bundesminister Genscher widerspricht und erklärt, daß Slowenien und Kroatien an den entsprechenden Verhandlungen teilgenommen hätten, daß aber die jugoslawische Volksarmee einmarschiert sel.

Auf Frage Außenminister Bakers nach dem Zeitpunkt der Anerkennung, antwortet der Bundeskanzler, daß die Lage sich dahin bewege, daß die Anerkennung in diesem Jahre zwangsläufig kommen werde.

Außenminister Baker stellt fest, daß man sich gegenüber den sowjetischen Republiken in der gleichen Situation befinde.

Der Bundeskanzler erklärt im Hinblick auf Jugoslawien, daß das Gesetz des Handelns nicht an Serbien übergehen dürfe. Wenn die Verhandlungen wegen der Abwesenheit Serbiens jetzt unterbrochen würden, werde nichts geschehen. Seine Auffassung sei aber, daß die Verhandlungen weitergehen müßten, die Serben würden schon wiederkommen. Am Ende werde die Anerkennung stehen, aber nur mit einem vereinbarten Schutz für die Minderheiten und dem Bestand der existierenden Grenzen. Danach käme zwangsläufig auch die Frage, wer dies alles finanzieren solle.

Er wolle im engen Kontakt mit den USA weiterhin die Positionen in dieser Frage austauschen. Wir stünden unter großem innenpolitischem Druck. Bei uns lebten 700.000 Jugoslawen, davon 2/3 Kroaten und jeden Tag sende das Fernsehen die katastrophalen Bilder aus Jugoslawien.

(Dr. Kischlat) Nach Diktat verreist

 

 

[1] BArch, B 136/59747, 7-11.

Head of Division 212                                                                                                        Bonn, 9 November 1991

M e m o r a n d u m

Subject: The Chancellor's Meeting with President Bush on 7 November 1991 at the NATO Summit in Rome[1]

Upon questions from journalists at the beginning, the Chancellor says that Germany’s owes its freedom and German unification to NATO. All of this would not have been possible without the firm position of NATO and the United States.

Europe’s economic and political integration – which was an old U.S. demand – is not a contradiction in our relations towards the United States. We needed a European pillar in NATO and, at the same time, wanted the U.S. to remain in Europe. He, the Chancellor, goes one step further: The transatlantic bridge had to be broadened by one additional lane: Economic, cultural and scientific cooperation is now as important as defense had been in the past. As an example, the Chancellor mentioned the German-American academy of science that would be established next year.

President Bush inserts that the Chancellor’s address in the Bundestag on 6 November had been excellent. It had underscored the Chancellor’s leadership qualities.

After the journalists had left the room, the Chancellor first mentions GATT. We were in a good situation. Things were developing as the Chancellor had pledged they would. France was moving. The unresolved questions between the EC and the USA had to be dealt with intensely and bilaterally. Both sides ought to refrain from public statements complicating the situation. During the last round, one had made grave psychological mistakes. He was optimistic and cared about things himself.

President Bush inserts that he was grateful for the Chancellor’s decisive role.

The Chancellor continues saying that he wanted to say candidly that one ought to behave with psychological skill toward France.  At the end of the day, the Elysée had to be able to present a success as well.

The Chancellor closes this issue area by pointing out that he would be in touch with the President on this issue after Maastricht, as it had been agreed upon.

The Chancellor then points to the issue area of the Soviet Union. It would be a catastrophe if the country disintegrated. Gorbachev had the chance to play an important role in a federation. He, the chancellor had just received a note according to which the Deputy G7 Finance Minister had found agreement with the Soviet Union with regards to payment problems. This was good news.

From Germany’s perspective, it was important that the USA used their influence: A sort of federation was better than the country’s disintegration.

 At the same time, he had heard voices in Washington arguing that it was better to rely on the Republics and less on the center. He thought this was a mistake. In terms of economic assistance for the Soviet Union, we had to emphasize there should be one roof.

There were allegations that Canada negotiated directly with the republics – for instance with Ukraine.

Regarding Japan, he wanted to note that it had greatly benefitted from NATO without contributing to it. Now, Japan also had advantages through the elimination of the military threat that the Soviet Union had posed. Thus, Japan could not just leave economic assistance for the Soviet Union to us. He wanted to query whether the position of the United States was still the same with regards to the Soviet Union, which meant maintaining a federation as much as possible.

President Bush said that this was the case. There was also criticism, however, that the American government was doing too much for Gorbachev. He, President Bush, thought that one needed the center, but also to embrace the Republics. There was, indeed, a discussion in the American public according to which one ought to let the Soviet Union disintegrate. The government did not share this position; he had told Gorbachev this.

In terms of the financial questions, the Republics had to be included, of course. One needed their signatures on paper.

With regards to the question of a federation, he wanted to emphasize that the United States absolutely wanted to avoid nuclear anarchy. Thus, we supported the center.

 Moreover, he thought that Gorbachev and Yeltsin were on good terms with each other.

In this regard, Secretary of StateBaker mentions as an example that he had recently been informed by the Deputy President of Russia that Yeltsin planned to emphasize the protection of all Russians in a speech, regardless of where they lived. Second, he planned to announce the necessity for the dissolution of the Soviet Foreign Ministry.

Thereafter, the USA had sent out its ambassador in Moscow with a demarche in order to make it clear that the first statement was a provocation and that the dissolution of the Soviet Foreign Ministry in such a critical phase was extraordinarily disturbing.

The Chancellor points out that President Yeltsin will visit Germany in two weeks. On this occasion, we would also have talks with Yeltsin’s coworkers who behaved as if we were in the year 1910. However, we find ourselves in 1991.

The Chancellor turns to the issue of Yugoslavia, asking Foreign Minister Genscher for a report on the EC Foreign Ministers meeting planned for 8 November 1991.

Foreign Minister Genscher says that two questions ought to be resolved on 8 November, namely the imposition of the limited restriction package and the continuation of the peace conference. The peace conference had to be concluded this year. Serbia must not be allowed to block the peace conference. It would continue with those Republics that were willing to cooperate. He, Foreign Minister Genscher, thought that Serbia would return to the conference if it continued.

As a matter of fact, Yugoslavia no longer existed as a state. This was now about the question of regulations for peaceful coexistence. This meant that existing frontiers must not be changed, minorities had to be protected. Everything else was an illusion.

Secretary of State Baker queries about the difference between Ukraine’s recognition and Croatia’s recognition.

Foreign Minister Genscher replies that the center in the Soviet Union had paved the way for the emergence of new structures with the Republic and in the Republics under Gorbachev’s leadership. The treaty on the economic union and the efforts for the establishment of a political union were poof of this.

In Yugoslavia, it was the other way around. The center, the Serbian leadership, tried to keep the Republics in the Yugoslavian state by using military force. Nobody in the Soviet Union had ever had the idea to let the Red Army march into the Republics.

Secretary of State Baker inserts that the Yugoslavian center had called for negotiations on a political restructuring in the past. However, this process had been interrupted by the declarations of independence in the Republics.

Foreign Minister Genscher contradicts the Secretary of State, saying that Slovenia and Croatia were participating in such negotiations while the Yugoslavian army had invaded them.

Upon Secretary Baker’s question about the timing of recognition, the Chancellor said that things were developing in such a way that recognition would definitely still happen this year.

Secretary of State Baker says that one was in a similar situation vis-a-vis the Soviet Republics.

The Chancellor says, with regards to Yugoslavia, that Serbia must not be given the principle of action. If the situations were now interrupted due to Serbia’s absence, nothing would happen. His position was that the negotiations had to continue, the Serbs would return at some point in time. Recognition will come at the end of the day, but only with protection for minorities and respect for existing frontiers. Thereafter, there was the inevitable question of who would finance all of this.

He wanted to exchange positions in close contact with the United State. We were under enormous domestic pressure. We had 700,000 Yugoslavs in Germany, two thirds of them Croats and the television sent out horrific images from Yugoslavia daily.

(Dr. Kischlat)

Gone away on a trip after dictation.

 

 

[1] BArch, B 136/59747, 7-11.

Kohl and Bush talk about the NATO summit, the creation of a European pillar in NATO, the war in Yugoslavia and the Soviet Union's disintegration.



Document Information

Source

BArch, B 136/59747, 7-11. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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2023-05-12

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Memorandum of Conversation

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300150