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October 28, 1990

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with President Mitterrand in Rome, on Sunday, 28 October 1990

This document was made possible with support from Blavatnik Family Foundation

Neuer                                                                                                                                  

Bonn, den 29. Oktober 1990

V e r m e r k

Betr.: Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Präsident Mitterrand am Sonntag, dem 28. Oktober 1990 in Rom[1]

 

Präsident Mitterrand teilt mit, daß Präsident Gorbatschow am Nachmittag des Sonntags, 28. Oktober 1990, zu einem Besuch in Paris eintreffe. Er werde am Montag, 29. Oktober 1990, wieder nach Moskau zurückreisen.

Der Bundeskanzler erwähnt, daß Präsident Gorbatschow auch nach Deutschland kommen werde, wenn sich dieser Plan überhaupt jetzt realisieren lasse. Gorbatschow habe große interne Schwierigkeiten.

Präsident Mitterrand bemerkt, daß der Text der Schlußfolgerungen des Europäischen Rats betreffend die Sowjetunion etwas schwach sei.

Der Bundeskanzler wirft ein, der Text sei nicht entscheidend. Die Schlußfolgerung des Europäischen Rats betreffend Ungarn beurteilt der Bundeskanzler als gut. Er fährt fort, bei der Wirtschafts- und Währungsunion hätten wir noch ein paar Bemerkungen zu machen. Indiskutabel sei es, daß beide Konferenzen unter Leitung der Außenminister stünden. Bei der Konferenz über die Währungsunion müßten die Finanzminister federführend sein; bei der Politischen Union die Außenminister. Finanz- und Außenminister müßten natürlich eng zusammenarbeiten. Man könne sich auch vorstellen, daß jedes Land für sich die Delegationsleitung bei den Konferenzen bestimme. Jedenfalls sollten die Mitarbeiter sich vor Dezember nochmals zusammensetzen und alles gut vorbereiten.

Präsident Mitterrand bringt das Gespräch auf die Uruguay-Runde. Am 30. Oktober 1990 müsse bei der Ratstagung eine Entscheidung fallen.

Der Bundeskanzler schlägt ein anderes Verfahren vor. Zwei Sitzungen, nämlich die Sitzung am 30. Oktober und am Montag der folgenden Woche, also am 5. November, seien besser. Man könne dann die Angelegenheit besser beraten.

Präsident Mitterrand macht darauf aufmerksam, daß die Streichung der Subventionen um 30 % die Europäer besonders hart treffen würde, da in Europa nicht nur ein oder zwei landwirtschaftliche Produkte exportiert würden, sondern eine ganze Produktpalette eine Rolle spiele.

Das Gespräch wendet sich kurz der Frage des Sitzes der Europäischen Institutionen zu. Präsident Mitterrand bezeichnet den Entwurf der Schlußfolgerungen hierzu als "charmante Formulierung".

Zu dem Passus betreffend die Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Ländern vermißt Präsident Mitterrand die Erwähnung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Osteuropa. Die speziell für die Hilfe an Osteuropa gegründete Bank müsse in dem Text erwähnt werden.

Der Bundeskanzler stimmt zu.

Der Bundeskanzler schlägt vor, über die Lage am Golf zu sprechen.

Präsident Mitterrand bemerkt, sie wende sich eher zum Schlechteren. Saddam Hussein müsse davon überzeugt werden, daß sich auf unserer Seite keine Schwäche zeigen werde. Man dürfe aber auch nicht Krieg um des Krieges willen führen. Alle arabischen Staaten, die gegen den Irak Stellung genommen hätten, wünschten den Krieg. Auch Israel wolle dies. PM Thatcher wolle dies ebenfalls, da sie die Forderungen an Saddam Hussein immer höherschraube. Die USA seien noch unentschieden. Aber es fehle nicht mehr viel, um auch sie auf diese Linie einschwenken zu lassen. Sie hätten beträchtliche Truppenkontingente und 600 Kampfflugzeuge an den Golf verlegt. Sie könnten sie nicht einfach wieder zurückführen. Für die Analyse sei immer weniger Raum. PM Thatcher sage, die Resolution der Vereinten Nationen betreffend die Wiederherstellung der Souveränität und die Rückkehr der kuwaitischen Herrscherfamilie müsse durchgesetzt werden. Er meine, man könne hier einen Unterschied machen. Er habe 6.000 Franzosen zur Wiederherstellung des Völkerrechts an den Golf entsandt. Es sei aber schwierig zu rechtfertigen, das Leben dieser Soldaten für die Rückkehr der Familie des Emirs aufs Spiel zu setzen. Der Irak müsse die durch ihn verursachten Schäden gutmachen. Er dürfe auch keine verbotenen Waffen besitzen. Dies alles sei gut und richtig. Es dürften jedoch nicht zuviele Vorbedingungen gestellt werden, denn das bedeute Krieg.

Der Bundeskanzler wirft ein, er glaube, George Bush wolle im Augenblick immer noch keinen Krieg.

Präsident Mitterrand hält dies für möglich.

Der Bundeskanzler fährt fort, man müsse Präsident Bush dabei unterstützen. Präsident Mitterrrand stimmt zu. Der Bundeskanzler kommt auf die Äußerung Präsident Mitterrands zurück, alle Araber, die gegen Saddam Hussein Stellung genommen hätten, seien für den Krieg. Er stellt die Frage, ob Präsident Mitterrand auch die Saudis einschließen würde.

Präsident Mitterrand bejaht diese Frage.

Der Bundeskanzler bemerkt, er sei sich hier nicht sicher.

Präsident Mitterrand berichtet über seinen kürzlichen Besuch in Djedda. Er habe diesen Eindruck gewonnen, wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt worden sei. Die Saudis wollten Saddam Hussein eliminieren.

Der Bundeskanzler stellt fest, wenn es einen Krieg gebe, werde das Haus Saud auch betroffen. Dies werde zwar nicht sofort der Fall sein, aber doch in einem Zeitraum von etwa 2 Jahren. Der Krieg löse die Probleme nicht. Er wolle hier einen Hinweis auf die deutsche Geschichte machen. Man gewinne alle Schlachten und verliere den Krieg. Dies sei keine Lösung.

Präsident Mitterrand stimmt zu.

Der Bundeskanzler fährt fort, auch die Israel-Frage stelle sich nach einer evtl. Elimination Saddam Husseins sehr viel härter. Die Israelis würden dann überhaupt nichts mehr in der Palästinenserfrage unternehmen. Die Situation werde dann noch viel dramatischer. George Bush habe immer gesagt, man müsse es vermeiden zu schießen. Krieg sei keine Lösung.

Präsident Mitterrand schließt sich dieser Auffassung an. Er fährt fort, den Ersten Weltkrieg habe auch niemand gewollt, obwohl einige Historiker sagten, Poincaré habe dieses Ziel gehabt. Gute Diplomaten hätten die Lage damals in Ordnung bringen können. Anders sei es 1939 gewesen. Hier sei der Krieg durch Machtwillen verursacht worden.

Der Bundeskanzler erkundigt sich, wie die Stellung Saddam Husseins heute sei.

Präsident Mitterrand bemerkt, Saddam Hussein sei ein Diktator, der durch ein Polizeiregime seine Herrschaft aufrechterhalte. Er sei intelligent und rational. Er sei kein islamischer Fundamentalist. Die Syrer könne er in einer Woche bezwingen; Jordanien existiere militärisch praktisch nicht. Auch Ägypten könne er besiegen. Saddam Hussein denke in den Kategorien der alten Kalifen von Bagdad.

Der Bundeskanzler fragt Präsident Mitterrand nach seinem Eindruck über die Entwicklung in der Sowjetunion. Er sehe die Lage dort als sehr dramatisch an.

Präsident Mitterrand bezeichnet sie als sehr schlecht. Die Wirtschaft könne Präsident Gorbatschow nicht radikal ändern. Vielleicht wolle er dies auch gar nicht. Die Krise spitze sich zu. Dies auch durch die Selbständigkeitsbestrebungen der verschiedenen Nationalitäten. Gorbatschow wolle zwar dezentralisieren; er habe jedoch ein Jahr verloren. Er tue sich jetzt sehr viel schwerer mit institutionellen Reformen, da sie zu spät kämen.

Der Bundeskanzler wirft ein, bei Kenntnis der russischen Geschichte, stellten sich viele Fragen. Man müsse sich nur einmal vorstellen, welche Folgen das Gelingen der Bauernbefreiung Kerenskis gehabt haben könnte.

Präsident Mitterrand fährt fort, Gorbatschow sei immerhin ein sehr bemerkenswerter Mann. Man müsse ihm Genie zuerkennen. Er habe bisher 5 - 6 Jahre überlebt und neue Ideen gehabt. Der Präsident und der Bundeskanzler sind sich einig darin, daß man Gorbatschow unterstützen müsse. Es sei absurd, eine Diskussion zu führen, ob dies erforderlich sei.

Der Bundeskanzler faßt zusammen, dies sei ein Punkt, bei dem man bei der Vorbereitung des Europäischen Rats im Dezember eng zusammenarbeiten müsse. Er wolle auch mit Präsident Bush hierüber sprechen. Man müsse sich nur vorstellen, wo wir heute ohne die positive Haltung Gorbatschows im Sicherheitsrat wären.

Präsident Mitterrand bemerkt, dies hätte Krieg bedeutet.

Der Bundeskanzler stimmt zu. Er fährt fort, guter Wille zu helfen, genüge nicht. Man müsse etwas tun, was Sinn mache.

Die Wirtschaft sei dabei, sich zurückzuziehen. Dies sei sehr gefährlich. 6 - 8 Mrd. Dollar seien in den letzten zwei Monaten zurückgeflossen. Hier müsse man ansetzen. Alles, was in der Sowjetunion geschehe, sei wichtig. Wenn jedoch die internationale Wirtschaft aufgebe, sei dies ein Urteil, gegen das auch die Politik nur schwer ankomme. Man könne dies nur ändern, wenn das Reformkonzept sinnvoll sei.

Präsident Mitterrand stimmt zu. Was Gorbatschow tue, reiche jedoch nicht aus.

Der Bundeskanzler weist nochmals auf die Gefahr hin, daß die Zentrale der Sowjetunion immer schwächer werde und die Auflösungserscheinungen zunehmen. Er erklärt, er würde gerne in naher Zukunft nochmals mit dem Präsidenten in Paris zusammentreffen.

Präsident Mitterrand ist einverstanden.

Das Gespräch endet nach 40 Minuten.

Weitere Teilnehmer: Auf deutscher Seite: BM Klein, MD Teltschik, MDg Dr. Neuer als Note Taker, Dolmetscherin Frau Raible

Auf französischer Seite: Ministerin Guigou, Madame de Marjorie, Herr Vedrine

 

[1] BArch, B 136/59734, 77-82.

Neuer                                                                                                                                  

Bonn, 29 October 1990

M e m o r a n d u m

Subject: The Chancellor's Meeting with President Mitterrand in Rome, on Sunday, 28 October 1990

President Mitterrand shares that President Gorbachev is due to visit Paris on Sunday afternoon, October 28, 1990. He would travel back to Moscow on Monday, October 29, 1990.

The Chancellor mentions that President Gorbachev would also come to Germany – if this plan could be implemented at all now. Gorbachev had great internal difficulties.

President Mitterrand notes that the text of the European Council conclusions on the Soviet Union was somewhat weak.

The Chancellor interjects that the text was not decisive. He considers the conclusion of the European Council in Hungary to be good. He went on to say that we had a few more comments to make on the economic and monetary union. It was out of the question that both conferences should be chaired by the Foreign Ministers. The Finance Ministers should lead the conference on monetary union; the foreign ministers should deal with the political union. Finance and Foreign Ministers must, of course, work closely together. One could also imagine that each country would determine the delegation leadership at the conferences. In any case, they should sit down again before December and prepare everything in detail.

President Mitterrand brings the conversation to the Uruguay Round. A decision would have to be made at the Council meeting on October 30, 1990.

The Chancellor suggests a different procedure. Two meetings, namely the meeting on October 30th and the Monday of the following week, i.e., November 5th, were better. One could then advise the matter better.

President Mitterrand draws attention to the fact that cutting subsidies by 30% would hit Europeans particularly hard since Europe was not just exporting one or two agricultural products, but rather a whole range of products.

The conversation turns briefly to the question of the seat of the European institutions. President Mitterrand describes the draft conclusions on this as a "charming formulation." President Mitterrand missed the mention of the European Bank for Reconstruction and Development in Eastern Europe in the passage relating to cooperation with the Central and Eastern European countries. The bank had been set up specifically for aid to Eastern Europe and should be mentioned in the text.

The Chancellor agrees.

The Chancellor suggests to discuss the situation in the Gulf.

President Mitterrand remarks that it was more likely to turn for the worse. Saddam Hussein must be convinced that there would be no weakness on our side. But neither should one wage war for the sake of war. All Arab states that had taken a position against Iraq wanted war. Israel wanted this too. PM Thatcher wanted the same thing, as she kept increasing demands on Saddam Hussein. The USA was still undecided. But there was not much left to prevent them from swerving along this line as well. They had relocated considerable troop contingents and 600 fighter planes to the Gulf. You couldn't just bring them back. There was less and less room for analysis. PM Thatcher said the United Nations resolution on the restoration of sovereignty and the return of the Kuwaiti ruling family must be enforced. He meant that one could make a difference here.

He had sent 6,000 French to the Gulf to restore international law. But it was difficult to justify putting the lives of these soldiers at risk for the return of the Emir's family. Iraq must make good the damage it has caused. Iraq was also not allowed to have any forbidden weapons. All of this was good and right. However, one should not make too many preconditions because that meant war.

The Chancellor interjects that he thought George Bush still did not want a war at the moment.

President Mitterrand thinks that this was possible.

The Chancellor goes on to say that one had to support President Bush in this.

President Mitterrand agrees.

The Chancellor came back to President Mitterrand's statement that all Arabs who had taken a stand against Saddam Hussein were for the war. He asks whether President Mitterrand would also include the Saudis.

President Mitterrand answered this question in the affirmative.

The Chancellor remarks that he was not sure about this.

President Mitterrand reports on his recent visit to Jeddah. He had obtained that impression even if it had not been expressly said. The Saudis wanted to eliminate Saddam Hussein.

The Chancellor states that if there was a war, the House of Saud would also be affected. This would not be the case immediately, but it would be in a period of around two years. The war did not solve the problems. He wanted to make a reference to German history here. Win all battles and lose the war. This was not a solution.

President Mitterrand agrees.

The Chancellor continues, saying that the Israel question would also be much tougher after a possible elimination of Saddam Hussein. The Israelis would then do nothing at all about the Palestinian question. The situation would then be even more dramatic. George Bush had always said that one had to avoid shooting. War was not a solution.

President Mitterrand shares this view. He goes on to say that no one had wanted World War I either, although some historians have said that Poincaré had that goal. Good diplomats could have put the situation right back then. It was different in 1939. Here the war was caused by a will for power.

The Chancellor queries about Saddam Hussein’s position.

President Mitterrand remarks that Saddam Hussein was a dictator who maintained his rule through a police regime. He was intelligent and rational. He was not an Islamic fundamentalist. He could defeat the Syrians in a week; Jordan practically did not exist militarily. He could also defeat Egypt. Saddam Hussein thinks in terms of the old caliphs of Baghdad.

The Chancellor queries about President Mitterrand’s impression of the developments in the Soviet Union. He sees the situation there as very dramatic.

President Mitterrand describes it as very bad. President Gorbachev could not radically change the economy. Maybe he did not want this at all. The crisis was coming to a head. This was also due to the independence of the various nationalities. Gorbachev had wanted to decentralize things; however, he had lost a year. Institutional reforms were now much more difficult because they were coming too late.

The Chancellor interjects that, knowing Russian history, many questions arose. One only had to imagine what consequences the success of Kerensky's peasant liberation could have had.

President Mitterrand goes on to say that Gorbachev was, after all, a very remarkable man. He must be recognized as having genius. So far, he had survived for 5 to 6 years and had new ideas. The President and the Chancellor agree that Gorbachev must be supported. It was absurd to have a discussion as to whether this was necessary.

The Chancellor summarized that this was an issue on which we had to work closely together in preparation for the European Council in December. He also wanted to talk to President Bush about this. One only had to imagine where we would be today in the Security Council without Gorbachev's positive attitude.

President Mitterrand says that this had meant war.

The Chancellor agrees. He continues saying that goodwill for help was not enough. One had to do something that makes sense. Business and industry representatives were about to withdraw. This was very dangerous. In the past two months, $6-8 billion had returned. This was where one had to start. Everything that happens in the Soviet Union was important. If, however, the international economy gave up, policymakers would have a hard time opposing this. This could only be changed if the reform concept made sense.

President Mitterrand agrees. What Gorbachev does, however, was not enough.

The Chancellor again points out the danger that the center of the Soviet Union would become weaker and weaker and that the signs of disintegration would increase. He says he would like to meet the President again in Paris in the near future.

President Mitterrand agrees.

The conversation ends after 40 minutes.

 

Other participants:

On the German side:

BM Klein

MD Teltschik

MDg Dr. Neuer as Note Taker

Interpreter, Ms. Raible

 

On the French side:

Minister Guigou

Madame de Marjorie

Mr Vedrine

 Kohl and Mitterrand debate the situation in the Gulf, the state of reforms in the Soviet Union, and the prospects for progress in terms of European integration.


Document Information

Source

BArch, B 136/59734, 77-82. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-01-18

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