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January 16, 1992

Conversation between the Head of the Chancellor’s Office, Federal Minister Friedrich Bohl, and Russian Foreign Minister Andrei Kozyrev, 15 January 1992, 13.00 Hours

RL 212                                                                                                                                  

Bonn, den 16. Januar 1992

V e r m e r k

über das Gespräch des Chefs des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Friedrich Bohl, mit dem russischen Außenminister, Andrej W. Kosyrew, am 15. Januar 1992, um 13.00 Uhr[1]

ChefBKbegrüßt den russischen Außenminister und übermittelt die Grüße des Herrn Bundeskanzlers.

AM Kosyrew (K.) übermittelt seinerseits Grüße von Präsident Jelzin an den Herrn Bundeskanzler. Er, K., sehe die heutigen Gespräche als Fortsetzung des Besuches Präsident Jelzins vom 21. November letzten Jahres. Rußland sei der Gemeinsamen Erklärung nach Buchstabe und Geist treu.

ChefBKerklärt, er freue sich über die Entwicklung der guten Kontakte mit Rußland und darüber, daß K. bestätigt habe, daß Rußland alle vertraglichen Vereinbarungen einhalten werde. Die deutsche Bevölkerung sehe die Vorgänge in Rußland mit großer Sympathie; es bestehe eine große Bereitschaft für Hilfe und Unterstützung. Sicherlich seien Verbesserungen bei der Durchführung der Hilfsaktionen möglich. Die EG mache hier große Anstrengungen. Die Bundesregierung würdige ausdrücklich den Reformprozeß Rußlands.

Er, ChefBK, wolle aber gewisse Sorgen nicht verbergen. Die Nichtverbreitung von Atomwaffen und von chemischen Waffen sei eine Frage, die viele Menschen hier bewege. Die Russische Föderation sei aufgerufen, weiter einen Beitrag dazu zu leisten, daß diese Waffen nicht in unbefugte Hände gelangen. Daraus könne eine Gefahr für den Frieden in der Welt entstehen. Ein weiteres sensibles Thema, das in der deutschen Öffentlichkeit für gewisse Irritation gesorgt habe, möchte er, ChefBK, auch ansprechen. Präsident Jelzin habe anläßlich seines Besuches im November zugesagt, daß die erforderlichen Schritte zur Gründung einer Wolgarepublik unternommen würden. Wir hätten das begrüßt. Jüngste Erklärungen hätten aber eine gewisse Besorgnis bei uns ausgelöst. Wenn von einem notwendigen Anteil der Deutschen von 90 % im Siedlungsgebiet gesprochen werde, so sei dies eine Quote, die in der deutsch-russischen Vereinbarung nicht erwähnt sei.

Es bestehe Gefahr, daß solche Forderunqen als ein Abrücken von der Vereinbarung vom November des letzten Jahres verstanden werden könnten. Unsere Beziehungen seien so gut, daß man dieses Problem offen ansprechen könne. Nicht nur die deutsche Öffentlichkeit, sondern auch die Bundesregierung sei besorgt. Die Deutschen in der Sowjetunion hätten eine große Bedeutung als Brücke zwischen unseren Völkern. Daher sei es sehr wichtig, die getroffene Vereinbarung konkret umzusetzen.

Er, ChefBK, freue sich, mit K. einen führenden und jungen Vertreter des neuen Rußlands kennenzulernen. Es sei wichtig, in der politischen Arbeit auch auf persönliche Bekanntschaft bauen zu können.

K. dankt und entgegnet, daß die von ChefBK angesprochenen Themen Teil seiner täglichen Arbeit seien. Man sei bemüht, die Probleme zu lösen. Die russische Regierung betreibe eine intensive Reformpolitik, obwohl jetzt der denkbar schlechteste Moment dafür sei: alle Probleme kämen in einem Augenblick auf sie zu! Rußland sei sich bewußt, daß ihm Deutschland an erster Stelle vor allen anderen Staaten mit Rat und Tat beistünde. Dabei gehe es nicht nur um humanitäre Hilfe, sondern um umfassende Hilfe. Dieses werde von Rußland sehr gut verstanden und sei auch der Grund für die ausgezeichneten Beziehungen zwischen beiden Ländern. Neben den bekannten wirtschaftlichen Problemen gebe es auch politische, wie z.B, die Reform der Streitkräfte. Hier gehe es ziemlich schwierig voran. Aber in einem Bereich gebe es völliges Einvernehmen zwischen den Republiken: Es gebe ein einheitliches Kommando und eine einheitliche Kontrolle über die nukleare Rüstung und über die wichtige Aufgabe, eine Verbreitung von Nuklearwaffen zu verhindern. Die Kategorie der strategischen Waffen umfasse mehr als die Interkontinental-Raketen; alle nukleare Rüstung gehöre dazu. Die taktischen Nuklearwaffen würden zur Zeit von den Territorien der anderen Republiken auf das Territorium Rußlands verlagert. Es gebe Zusicherungen seitens der Militärs, daß sich diese Waffen unter sicherer Kontrolle befänden. Rußland unterstütze auch den Vorschlag BM Genschers, alle landgestützten, taktischen Nuklearwaffen in globalem Maßstab zu vernichten.

Rußland bleibe Geist und Buchstaben der getroffenen Vereinbarungen treu. Dies gelte uneingeschränkt auch für Ziffer 12 der Gemeinsamen Erklärung. Das Zitat von den 90 % solle man nicht im direkten Sinne auslegen; es sei außerhalb des Kontextes zitiert worden. Hier gehe es um den Implementierungsprozeß, mit dem Rußland seinen internen Beschluß einer Zug um Zug-Errichtung der Wolgarepublik umsetzen wolle.

Das Gesetz über die repressierten Völker aus dem Jahre 1991 sei verabschiedet worden und werde ausgeführt. Eine andere Sache sei es, daß es zu gewissen Emotionen käme, die besonders in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten besonders hoch schlügen. Er, K., wolle betonen, daß Rußland konkrete Orte für die Deutschen zur Verfügung stellen werde. Damit könnten die Rußlanddeutschen in Siedlungen um Saratow herum angesiedelt werden. In bestimmten Orten könne man sicherlich sehr schnell an die 90 %-Dichte herankommen. Das bedeute aber nicht, daß 90 % eine Vorbedingung für die Gründung der Wolgarepublik sei. Er, K., möchte bitten, die Äußerungen aus der Presse nicht zu dramatisieren. Wenn dieses in Deutschland falsch verstanden worden sei, so werde er die Sache auf der mit BM Genscher geplanten Pressekonferenz richtigstellen.

ChefBK entgegnet, daß er das angesprochene Problem deutlich aufzeigen wollte und froh sei, daß K. so präzise auf die Frage eingegangen sei. Die Entwicklung der Aussiedlerzahlen zeige, daß Rußland und Deutschland bei ihrer gemeinsamen Politik auf gutem Wege seien. Dies sollten wir nicht gefährden. Daher sei jedes öffentliche Wort von Bedeutung.

ChefBKdankt für die klare Haltung der russischen Regierung in Sachen Honecker. Die Bundesregierung vertraue, daß es keine Ausreise in ein Drittland geben werde (K. wirft ein: Soweit wir die Situation unter Kontrolle halten können).

ChefBK fragt nach dem Stand des Wohnungsbaus für die WGT und nach dem Verlauf der Nahrungsmittelhilfe. Die Bundesregierung sei Berichten darüber, daß bestimmte Sachen versickern würden, in der Überzeugung entgegengetreten, daß Rußland und Deutschland die Situation gemeinsam meistern würden.

Zwischen Rußland und Deutschland gebe es geschichtliche Phasen der außerordentlich fruchtbaren Zusammenarbeit. Er, ChefBK, danke daher für den Hinweis Ks., daß der Wert unserer Zusammenarbeit nicht nur an der technischen Hilfe gemessen werde. Wichtig sei auch ein kultureller Austausch und daß die Menschen zueinanderkämen. Es gebe bei uns viel Sympathie für das russische Volk, das sollten wir bei allen technischen Details nicht aus dem Auge verlieren.

K. erläutert, daß das Wohnungsbauprogramm für die WGT erfolgreich laufe und die Fristen eingehalten würden. Man arbeite gut mit den anderen Republiken zusammen. Allerdings wollten einige Republiken ihren Anteil an dem Programm (wohl zu Lasten Rußlands) aufstocken. Man hoffe aber auf eine einvernehmliche Lösung.

Es sei unrealistisch zu glauben, daß die humanitäre Hilfe vollständig ohne Probleme abgewickelt werden könne. Aber es gebe keine Probleme von ernstzunehmendem Ausmaß. Allerdings interessierten sich die russischen Medien sehr im Detail für die Abwicklung der Hilfe. Er, K., sei daran ein wenig schuld, weil er vor kurzer Zeit in einem internen Gespräch die Journalisten angespornt habe, in dieser Frage aggressiv vorzugehen. Er glaube aber dennoch, daß eine freie Presse die allerbeste Kontrollmaßnahme sei. Allerdings würden die Probleme von den Massenmedien zur Zeit aufgeblasen. Die russische Regierung wolle der Bundesregierung für die ausgewogene Reaktion auf die Pressemeldungen danken.

ChefBK beschließt das Gespräch mit einem Toast auf die deutsch-russischen Beziehungen. K. dankt und wünscht sowohl einen Ausbau der persönlichen Beziehungen mit ChefBK als auch eine Vertiefung der Beziehungen zwischen den Menschen beider Staaten.

(Dr. Kischlat)

 

[1] BArch, B 136/59747, 158-161.

Head of Division 212                                                                                                       

Bonn, 16 January 1992

M e m o r a n d u m

Subject: Conversation between the Head of the Chancellor’s Office, Federal Minister Friedrich Bohl, and Russian Foreign Minister Andrei Kozyrev, 15 January 1992, 13.00 Hours[1]

ChefBK greets the Russian Foreign Minister and conveys greetings from the Chancellor.

Foreign Minister Kozyrev (K.) conveys regards from President Yeltsin to the Chancellor. He, K., saw today’s conversations at the continuation of President Yeltsin’s visit on 21 November of last year.  Russia adhered to the common declaration to the letter and in spirit.

ChefBKsays that he was glad about the development of good contacts with Russia. He was satisfied that Russia would fulfill all contractual commitments. The German population viewed the developments in Russia with enormous sympathy, there was a great readiness for help and assistance. There was certainly still potential for further improvements in the implementation of assistance programs. The EC undertook bold efforts in this regard. The Federal government explicitly appreciates the reform process in Russia.

He, ChefBK, did not want to conceal certain concerns. The non-proliferation of nuclear weapons and chemical weapons was an issue that greatly worried people. The Russian Federation was called upon for a contribution to make sure that these weapons were not allowed to fall into the wrong hands. This could endanger world peace. He wanted to raise another sensible issue that had caused some irritation in the German public. On the occasion of his visit in November, President Yeltsin had pledged to take the necessary steps for the establishment of a Volga Republic. We had welcomed this, but most recent developments caused a certain degree of concern. If there was talk about a 90% quota of Germans in the settlement area, this was a quota that had not been mentioned in the German-Russian accord.

There was a danger that such demands could be interpreted as a move away from the accord of last November. The good quality of our relations allows us to discuss this issue openly. Both the German public as well as the Federal government were concerned. The Germans in the Soviet Union had great importance as a bridge between our nations. Thus, it was essential to implement the accords in concrete detail.

He, ChefBK, was glad to meet K as a leading and young representative of the new Russia. Personal contacts were fundamental in politics.

K. expresses his thanks and replies that Chef BK had raised issues which were part of his daily work. One was eager to resolve problems. The Russian government pursued an intense reform policy, albeit that this was the worst possible moment: One was confronted with problems all at the same time! Russia was aware that Germany provided guidance and assistance first among all states. This was not just about humanitarian help, but about assistance in general terms. This was appreciated in Russia, and it was the reason for the development of excellent relations between both countries. Except for the well-known economic problems, there were also political ones, such as the reform of the military, for instance. It was difficult to reach progress despite consensus between the Republics. There was a unified command and unified control of nuclear arms and nuclear non-proliferation. The category of strategic weapons included more than just intercontinental ballistic missiles; it entailed all kind of nuclear armaments. The tactical nuclear weapons were currently transferred from the Republics to Russia’s territory. There were assurances from the military according to which the weapons were under safe control. Russia supported Foreign Minister Genscher’s proposal for the elimination of all land-based tactical nuclear weapons.

Russia adhered to the spirit and the letters of the accords. This applied, unrestrictedly, for paragraph 2 of the joint declaration. The quota of 90% should not be interpreted in the direct sense of the word; it was quoted in a different context. This was about the process of implementation by which Russia wanted to carry out its decision on the Volga Republic step-by-step.

The law on repressed people of 1991 had been ratified and was carried out. It was a different thing that there was a certain rise of emotions that ran particularly high in difficult economic times. He, K., wanted to emphasize that Russia would provide specific places for the Germans. Thus, the Russian Germans could be settled in the regions around Saratov. In some places, one could certainly reach the 90% density in a very short time. But this did not imply that a 90 % quota was a precondition for the establishment of a Volga Republic. He, K., wanted to ask us not to overdramatize press statements. If this was understood the wrong way in Germany, he would correct the matter in the press conference with Foreign Minister Genscher.

ChefBK replies that his intention was to clearly point out the problem. He was glad that K. elaborated on the question in detail. The development of the emigration of ethnic Germans was an indicator that Russia and Germany’s joint policy was on the right track. We must not jeopardize this. Thus, every single public word was relevant.

ChefBKexpresses his thanks for the firm Russian position with regards to the Honecker case. The federal government relied on the pledge that there would be no emigration to a third country (K. inserts: As far as we could keep the situation under control).

ChefBK queries about the state of the housing program for the Western Group of Russian Troops (WGT) and the development of food aid. The Federal government had countered reports according to which certain things would trickle off based on the assumption that Russian and Germany would jointly master the situation.

There were historically phases of extraordinarily fruitful cooperation between Russia and Germany. He, ChefBK, was grateful for K.‘s hint that the value of our cooperation was not only measured in terms of technical help. Cultural exchange and personal meetings were also important. We had a lot of sympathy for the Russian people. We should not lose sight of this given the multitude of technical details.

K. explains that the housing program for the WGT proceeded successfully and that one kept one’s deadlines. One cooperated well with other Republics. However, some Republics were obviously eager to raise their share of expense (for Russia to bear). One hoped for a consensual solution.

It was unrealistic to assume that humanitarian assistance could be carried out without any problems. But there were not serious problems. However, Russia’s media was interested in the details of the proceedings. He, K., was to blame for this, in part, as he had recently used an interview in order to spur the journalists to pursue this question aggressively. Nevertheless, he thought that a free press was the best possible control mechanism. However, the problems were currently inflated by the mass media. The Russian government wanted to thank the Federal government for the balanced reaction toward those press statements.

ChefBK concludes the conversation with a toast to German-Russian relations. K. expresses his thanks and envisages both the expansion of personal ties with ChefBK and the deepening of relations between the peoples of both nations.

(Dr. Kischlat)

 

[1] BArch, B 136/59747, 158-161.

Bohl and Kozyrev talk through the potential proliferation of nuclear and chemical weapons after the demise of the Soviet Union. Moreover, they consult on the reduction of tactical and strategic nuclear weapons.


Document Information

Source

BArch, B 136/59747, 158-161. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-05-15

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300159