June 3, 1992
State Minister Schmidbauer’s Meeting with Iranian President Rafsanjani in Teheran, 2 June 1992
Referatsleiter 214 Bonn, 3. June 1992
VLR 1 Dr. Ueberschaer
V e r m e r k
Betr.: Gespräch des Staatsministers beim Bundeskanzler, Bernd Schmidbauer, mit dem iranischen Staatspräsidenten Rafsanjani in Teheran, am 2. Juni 1992[1]
Beteiligt waren auf deutscher Seite Botschafter Dr. Freitag, Präsident Dr. Wertebach (BfV), MD Prof. Dr. Dr. Dolzer (BK), MD Schlagintweit (AA), der Unterzeichnende, auf iranischer Seite hochrangige Vertreter des Außenministeriums.
Nach herzlicher Begrüßung durch Präsident Rafsanjani beglückwünscht StM Schmidbauer diesen zu dessen Erfolg bei den kürzlichen Präsidentschaftswahlen. Präsident Rafsanjani bemerkt dazu, daß Wahlen im Westen eine grundsätzliche Entscheidung über die Politik wie auch über das künftige politische Schicksal desjenigen darstellten, der sich zur Wahl stelle. Im Iran seien Wahlen hingegen etwas "ganz Gewöhnliches", (d.h. wohl nur eine förmliche Bestätigung des zu Wählenden im Amt, die von vornherein feststehe).
Auf Frage des Präsidenten unterstreicht StM Schmidbauer den bisherigen, sehr intensiven Verlauf der Delegationsgespräche. Er berichtet auf weitere Fragen, daß es dem Bundeskanzler gut gehe und er sich auf den bevorstehenden Besuch in Rio bei UNCED vorbereite. Auch dem Bundespräsidenten gehe es seiner Kenntnis nach gut.
Auf Bitte des Präsidenten erläutert StM Schmidbauer den Rücktritt von BM Genscher vom Amte des Außenministers: Nach 23 Jahren Amtszeit als Bundesminister - davon 18 Jahre als Außenminister - habe BM Genscher es für an der Zeit gehalten, seinen Platz einem jüngeren Politiker freizumachen. Er habe jedoch zugleich versprochen, in der aktiven Politik zu verbleiben. Auf Nachfrage erläutert StM Schmidbauer, daß es in der Tat ein Verlust sei, wenn gerade in der gegenwärtigen schwierigen Zeit ein erfahrener Außenminister sein Amt aufgebe. Andererseits mache Genschers dem Bundeskanzler gegebene Zusage, auch weiterhin aktiv in der deutschen Außenpolitik mitzuarbeiten, den Wechsel leichter.
StP Rafsanjani bemerkt hierzu, daß aus iranischer Sicht diese Entscheidung dennoch nicht leicht zu deuten sei.
StM Schmidbauer bemerkt, daß nach großen Veränderungen in Europa der gegenwärtige Zeitpunkt der relativ günstigste sei, eine solchen Wechsel vorzunehmen. Später könne dies viel größere Schwierigkeiten aufwerfen.
StM Schmidbauer äußert sodann seine Freude über die Begegnung mit dem Staatspräsidenten, die ihm die Möglichkeit gebe, diesem eine Botschaft des Bundeskanzlers zu übermitteln. (Er übergibt sodann einen Brief des Bundeskanzlers).
StP Rafsanjani dankt nach Lektüre des Briefes und erklärt, daß er mit dessen Inhalt grundsätzlich übereinstimme („harmonisiere“).
StM Schmidbauer bemerkt ergänzend, daß der Bundeskanzler sich auf die Fortsetzung seiner Telefonkontakte und eine persönliche Begegnung dem Präsidenten freue. Er hoffe, daß die politische Gesamtlage einen für beide Länder fruchtbaren Gedankenaustausch ermöglichen werde. Man könne sich von konstruktiven Gesprächen eine Vertiefung der Beziehungen erhoffen. Der Bundeskanzler sei auch daran interessiert, die Problem auszuräumen, die noch zwischen beiden Ländern bestünden.
Er, Schmidbauer, habe den Eindruck, daß man hierbei auf dem besten Wege sei. Dem Präsidenten wolle er für dessen persönliches Engagement zugunsten einer baldigen Freilassung der deutschen Geiseln danken. Zugleich wolle er die Bemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und dessen Sonderbeauftragen Picco würdigen. Wie er bei den bisherigen Gesprächen gehört habe, rechne man auf iranischer Seite mit einem baldigen Erfolg der laufenden Vermittlungsbemühungen von Außensinister Velayati und weiterer Regierungsmitglieder. Auch hierfür wolle er ausdrücklich danken.
Er gehe davon aus, daß der Bundeskanzler nach einen erfolgreichen Abschluß dieses Problems selbst mit dem Präsidenten telefonieren wolle.
Im Namen des Bundeskanzlers bedauere er die jüngsten Angriffe gegen die iranischen diplomatischen bzw. konsularischen Missionen in Deutschland und die Bedrohung der Bediensteten. Die Bundesregierung wolle dafür sorgen, daß die Täter zur Rechenschaft gezogen würden und daß solche Vorfälle sich nicht wiederholten.
Die auf beiden Seiten noch bestehenden Probleme im Sicherheitsbereich habe er in seinen Gesprächen mit dem iranischen Informationsminister mit dem Ziel angesprochen, sie bald zu überwinden und zu der erforderlichen Zusammenarbeit zu gelangen. In jüngster Zeit habe er diese Frage bereits intensiv mit dem iranischen Botschafter in Bonn, Mousavian, erörtert, er beabsichtige dies auch weiterhin zu tun.
Präsident Rafsanjani äußert, daß Deutschland traditionell der engste Partner des Iran im Westen sei; Beziehungen wie die mit Deutschland unterhalte der Iran mit keinem anderen westlichen Land.
Er sei sehr optimistisch, daß die Lage in Deutschland selbst wie auch die Stellung Deutschlands in Europa sich binnen kurzer Zeit festigen werde. Er sei ganz zuversichtlich, daß Deutschland in Europa und in der Welt eine wichtige und kraftvolle Rolle spielen werde; dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Stabilisierung der GUS-Region und des Balkans.
Sicher verstehe StM Schmidbauer auch die Lage des Iran. Dieser habe ein vorrangiges Interesse, seine Beziehungen zu anderen Teilen der Welt zu vertiefen - nicht zuletzt um in der Lage zu sein, zur Stabilisierung sowohl des Nahen und Mittleren Ostens als auch der kaukasischen Republiken der GUS beizutragen, mit denen ihn viele religiöse und kulturelle Gemeinsamkeiten verbänden.
Eine verstärkte freundschaftliche Zusammenarbeit des Iran mit Deutschland komme auch der eigenen Region zugute, ja sei für diese von erheblicher Bedeutung. Irans Wunsch nach Vertiefung seiner Beziehungen zu Deutschland beruhe daher auf einer "kalkulierten Wahl". Die iranische Regierung habe mit Botschafter Mousavian einen ihrer besten und aktivsten Diplomaten wegen seiner besonderen beruflichen Qualitäten nach Deutschland entsandt.
Die Rückschritte, die sich in jüngster Zeit aufgrund der bekannten Mißhelligkeiten ergeben hätten, paßten nicht in das Bild der Beziehungen zu Deutschland, welche der Iran anstrebe. Einige der noch bestehenden Probleme habe der Bundeskanzler in seinem Brief angesprochen, andere nicht:
Wie solle z.B. das Problem des KKW Busher gelöst werden? Eine Fehlinvestition von 4 Mrd. Dollar sei für den Iran nicht akzeptabel. Der Iran habe jährlich erhebliche Aufwendungen allein zur Instandhaltung der bereits errichteten Anlagen aufzubringen. Deutschland sei bisher nicht zu einer Kompromißlösung bereit, obwohl der Iran alle Voraussetzungen hierfür erbracht habe, ein Kooperationsabkommen mit der IAEO unterzeichnet habe und bereit sei, Busher der Obhut der internationalen Atomenergiebehörde zu unterstellen. Für die iranische Regierung sei es unlogisch, daß ein so starker und bedeutender Staat wie Deutschland eingegangene internationale Verpflichtungen nicht einhalte.
Ein etwas weniger vorrangiges Problem sei das des Baus der Pestizidfabrik Ghazwin, auf deren Errichtung die iranischen Agrarorganisationen jedoch dringend warteten.
Bei dem zugesagten Bau von U-Booten sei Deutschland nicht bereit, gewisse militärische Ausrüstungen zu liefern. Dies könne der Iran vielleicht grundsätzlich akzeptieren.
Insgesamt bestehe die iranische Regierung nicht auf einer vollständigen Einhaltung aller von Deutschland eingegangener Verpflichtungen: Erforderlich sei aber eine einvernehmliche grundsätzliche Lösung in freundschaftlichem Geiste. Der Iran beabsichtige keine militärische Verwendung der betreffenden Anlagen, wie dies vielfach von der Propaganda behauptet werde. Er verfolge hiermit ausschließlich wirtschaftliche Interessen.
Über die sonstigen noch offenen Fragen zwischen Iran und Deutschland - vor allem im Sicherheitsbereich - könne StM Schmidbauer am besten mit den Informationsminister sprechen.
Iran wünsche für die Zukunft in den bilateralen Beziehungen keine Unklarheiten. Er - Rafsanjani - bitte, den Bundeskanzler zu grüßen und ihm zu sagen, daß die iranische Regierung selbst offen sei und Offenheit von ihren Partnern erwarte.
Er, Rafsanjani, hoffe, daß die deutschen Schwierigkeiten im Libanon - d.h. die Geiselfrage - gelöst werden könnten. Die iranische Regierung setze die Entführer ständig unter Druck, aber die militärischen Entwicklungen im Libanon hätten bisher eine Lösung verzögert. Er bitte die deutsche Seite, auch auf den VN-GS einzuwirken, daß dieser sein Engagement zugunsten unserer Geiseln fortsetzen solle.
StM Schmidbauer bemerkt, daß es wichtig sei, auch über diejenigen Themen Gespräche zu führen, über die bisher "Sprachlosigkeit" geherrscht habe. Es sei auch zweckmäßig, kontroverse Punkte in die Gespräche des Präsidenten mit dem Bundeskanzler einzubeziehen, womit Präsident Rafsanjani ja begonnen habe. Deutschland wolle keine ungelösten Probleme mit dem Iran. Vielleicht könne man manches, was gegenwärtig noch unmöglich erscheine, unter Einschaltung der IAEA auf längere Sicht lösen. Vieles sei lösbar, "wenn der Nebel sich erst verzogen haben werde".
Der iranischen Regierung sei es zu wünschen, daß sie zur Lösung der Probleme in der Region und in den Kaukasusrepubliken beitragen könne. Deutschland habe eine ähnliche Aufgabe im Hinblick auf MOE und GUS zu erfüllen.
Das in sehr freundschaftlicher Atmosphäre geführte Gespräch endete nach ca. einer halben Stunde.
(Dr. Ueberschaer)
[1] BArch, B 136/59730, 296-300.
Head of Division 214 VLR 1 Dr. Ueberschaer Bonn, 3 June 1992
M e m o r a n d u m
Subject: State Minister Schmidbauer’s Meeting with Iranian President Rafsanjani in Teheran, 2 June 1992[1]
Participants from the German side: Ambassador Dr. Freitag, President Dr. Wertebach (BfV), MD Prof. Dr. Dr. Dolzer (BK), MD Schlagintweit (AA), the signee; from the Iranian side: high-ranking foreign ministry officials.
After cordial greetings from President Rafsanjani, StM Schmidbauer congratulates him on his success in the recent Presidential elections. President Rafsanjani commented that elections in the West were a fundamental decision on politics as well as on the future fate of those who were running for office. However, in Iran, elections were "an ordinary thing" (meaning that it was an official affirmation of the person who was determined ahead of time.)
Upon the President’s question, StM Schmidbauer underlines the previous and intense course of the talks between the delegations. Upon further questions, he reports that the Chancellor was well and that he prepared for his forthcoming visit at the UNCED conference in Rio. The Federal President was also well.
Upon the President’s request, StM Schmidbauer expounds on the reasons for Foreign Minister Genscher’s resignation. After a tenure of 23 years in cabinet position including 18 years as foreign minister, Genscher thought it was time for him to make way for younger policymakers. At the same time, he had pledged to remain involved in active politics. Upon the President’s query, StM Schmidbauer, says that this was certainly a loss when an experienced foreign minister resigned at such an important point in time. At the same time, Genscher pledge for his continued involvement in German foreign policy made the change easier.
StP Rafsanjani says that the decision was nevertheless not easy to understand from Iran’s perspective.
StM Schmidbauer remarks that the current point in time was perhaps favorable for such a change. A change at a later time could cause much larger difficulties.
StM Schmidbauer expresses his gratitude about the meeting with the President which gave him the chance to pass on a message from the Chancellor. (Subsequently, he passes on the Chancellor’s letter).
StP Rafsanjani thanks for the letter after he had read it saying that he basically agreed to its content ("harmonized").
StM Schmidbauer adds that the Chancellor was looking forward to the continuation of his telephone contacts and also on a personal meeting with the President. He hoped that the political situation would facilitate a mutually fruitful exchange of thoughts. Constructive talks could lead to a deepening or the relationship. The Chancellor was also interested in the resolution of the problems that were still a burden for both countries.
He, Schmidbauer, had the impression that one was on very good trajectory. He would like to thank the President for his personal engagement and the timely release of the German hostages. At the same time, he would like to appreciate the efforts by the UN Secretary General and the latter’s special enjoy Picco. As he had heard in the previous delegation talks, one was expecting timely success in the mediation efforts by foreign ministers Velayati and other cabinet members. He would like to explicitly express his gratitude. His assumption was that the Chancellor wished to call the president himself after the successful resolution of this issue.
In behalf of the Chancellor, he condemned the recent attacks on Iran’s diplomatic and consular mission in Germany as well as the threats against employees. The federal government would make sure that the perpetrators would be held accountable and that such incidents would not repeat itself.
In his meeting with the Iranian information minister, he had raised the still existing problems in the security realm. They were trying to overcome them in order to foster the kind of cooperation that was necessary. More recently, he had discussed this question with the Iranian ambassador in Bonn, Mousavian, and he was planning to continue these talks.
President Rafsanjani says that Germany was traditionally Iran’s the closest partner in the West. There was no other Western country with Iran had that kind of a close relationship. He was optimistic that the situation in Germany as well as Germany’s position in Europe would consolidate within a very short time. He was confident that Germany would play an important role in Europe in the entire world especially with regards to the CIS and the Balkans.
StM Schmidbauer certainly understood the situation in Iran. Iran’s primary interest was to deepen relations with other parts of the world not least in order to stabilize both the Near East as well as the Caucasian republics with which Iran had plenty of religious and cultural commonalities.
Expanding Iran’s friendly cooperation with Germany would also benefit the entire region and was of considerable importance. Thus, Iran’s desire for a deepening of its relations with Germany was based on a "calculated choice". Hence, Iran’s government had sent ambassador Mousavian to Germany, one of the best and most active diplomats with outstanding professional qualities.
The recent setbacks and the known misunderstanding did not fit in the kind of relationship with Germany that Iran envisaged. In his letter, the Chancellor had raised some of the still existing problems while he had omitted others:
How could one resolve the Busher nuclear power plant problem, for instance? A failed investment of 4 billion $ was not acceptable for Iran. Each year, Iran had considerable expenses for the maintenance of the previously constructed facilities. So far, Germany had not been ready for a compromise solution albeit Iran had fulfilled all preconditions and has signed a cooperation agreement with the IAEA signaling its readiness to put Bushehr under the control of the international atomic energy administration. For Iran’s government, it was illogic that such a strong and important country as Germany did not live up to its international commitments.
A somewhat less acute problem was the construction of the pesticides plant Ghazwin which was urgently awaited by Iran’s agricultural organization. In terms of the promised sale of submarines, Germany was not ready to supply Iran with certain spare parts, and one could perhaps accept this in principle.
As a whole, Iran did not insist on the full compliance with regards to the commitments that Germany had entered. But one needed a consensual principal solution in a spirit of friendship. Iran did not plan the military use of the relevant facilities as this was claimed in public propaganda. Iran exclusively pursued peaceful interests. The best thing for StM Schmidbauer was to discuss all other open questions with the information minister, particularly the question in the security realm.
In terms of future bilateral relations, Iran did not wish any kind of uncertainties. He, Rafsanjani, asked StM Schmidbauer to convey best regards to the Chancellor and to tell him that Iran’s government was open and expecting the same openness from its partners.
He, Rafsanjani, hoped that the German difficulties in Lebanon, that is the hostage question, could be resolved. Iran’s government was constantly pressuring the hijackers, but military developments in Lebanon had delayed a solution so far. He also asked the German side to exercise its influence with the UN Secretary General asking him to continue his engagement to the benefit of our hostages.
StM Schmidbauer adds that it was important to also review those issue area where both sides had been speechless so far. It was also useful to include controversial points in the President’s talks with the Chancellor. President Rafsanjani had already started this process. Germany did not want unresolved problems with Iran. Perhaps one could use the IAEA to resolve some currently unresolvable things over the long term. A lot of things could be solved "one the fog would disappear at some point".
He wished the Iranian government all the best hoping that it would be able to contribute to the solution of the problems in the region and in the Caucasus republics. Germany had a similar task with regards to the CEE and CIS countries.
The conversation took place in a very friendly atmosphere and ended after approximately half an hour.
(Dr. Ueberschaer)
[1] BArch, B 136/59730, 296-300.
Kohl and Rafsanjani discuss Germany's role in the stabiliza5ion of the CIS countries and the Balkans. Rafsanjani expresses Iran's desire for the completion of the Bushehr nuclear power plant in a "good atmosphere" without pressure pledging that Iran was not planning any military use.
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